Die erste gedruckte Quelle, die über Leben und Werk des Jürgen Ovens Auskunft
gibt, hat sich in Filip von Zesens "Beschreibung der Stadt Amsterdam" (1664)
erhalten.[21]
Filip von Zesen berichtet über die Ausstattung des neu errichteten Rathauses
und beschreibt u. a. das Gemälde "Die Verschwörung der Bataver unter Claudius
Civilis" [22]
aus dem großen Bürgersaal:
"... ein gemahltes stuekke
von den begaebnuessen der alten Betauer. Darinnen sichet das Gastmahl
entworfen / welches ihr Heerfuehrer Klaudiusziviel im Schaker-busche /
oder im geheiligten Walde / gehalten." [23]
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Govaert Flink, der das Werk 1660 begonnen habe, sei nach Anfertigung des Entwurfs überraschend verstorben, so daß die Bürgermeister 1662 Jürgen Ovens zur Ausführung bestimmt hätten.[24]
"Selbiges stuekke hatte zum
allerersten oben gemelter Gobert Flink auf ein rauhes
allein mit leim ueberzogenes leinen tuch / mit holtzkohlen / und ein wenig wasserfarben / innerhalb zween tagen entworfen: ... Weil aber / kurtz nach diesem rauhen und eilfaertigem entwurf / gemelter Kunstmahler todes verblichen / und es also selbsten nicht zur volkommenheit bringen koennen: so hat Seiner Durchl. des Herzogs von Holstein ... Hof- und Kunst-mahler / Johan Ovens / auf begehren der Herren Buergemeister / die endliche hand daran geschlagen / und solchen entwurf innerhalb vier tagen nicht allein mehrern teils uebergruendet / und mit oehlfarben grundfest gemacht / sondern auch bei die zehen oder zwoelf bilder mehr hinein gefueget / und also das gantze stuekke / wie es itzund alhier stehet / innerhalb vier tagen / nach erheischen der mahlerkunst / volkoemlich ausgearbeitet." [25] |
Während Filip von Zesen über die Arbeit am "Claudius Civilis" durch Govaert Flink und Jürgen Ovens berichtet, erwähnt er nicht, daß der Auftrag zuvor an Rembrandt Hermansz. van Rijn vergeben worden war, dessen Gemälde jedoch nach kurzer Aufstellung wieder entfernt wurde.[26] Die lückenhafte Überlieferung der Entstehungsbedingungen durch Filip von Zesen zeugt wohl nicht von mangelnder Kenntnis, sondern verdeutlicht die Auswahl des Autors. Filip von Zesen erhielt 1662 das Bürgerrecht der Stadt Amsterdam und muß demnach schon seit längerem in Amsterdam ansässig gewesen sein, so daß er durchaus Kenntnis von der langwierigen Auftragsvergabe gehabt haben konnte.[27] Filip von Zesen schildert Jürgen Ovens als einen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gerühmten Künstler, der mit dem Auftrag für das Rathaus von Amsterdam am wichtigsten Ausstattungsprogramm seiner Zeit beteiligt war und der über den "Claudius Civilis" hinaus, in der Scheppen-Kammer eine allegorische Darstellung geschaffen habe.[28] Der Autor nennt Jürgen Ovens des "Herzogs von Holstein Hof- und Kunst-mahler" [29] und benennt damit einen weiteren Auftraggeber des Malers.[30] Joachim von Sandrart wiederholt in seiner"Teutschen Academie" (1675-1680)[31], daß Jürgen Ovens in den Diensten des Herzogs von Holstein-Gottorp gestanden habe.
"Owins: Ein fuertrefflicher
Mahler in Historien / herrlich in Nacht=stuecken /gluehende
kraefftige Coleriten / samt reichen Ordinanzen / ist
bey dem Hertzogen von Holstein zu Friedrichstadt." [32]
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Weitere biographische Angaben überliefert Arnold Houbraken in seinem Werk "De Groote Schouburgh der Nederlandsche konstschilders en schilderesen" (1718-1721).[33] Arnold Houbraken hebt ihn als Maler von Historien und Nachtstücken hervor, wie es durch Joachim von Sandrart überliefert wurde, benennt den "Claudius Civilis" und nennt ihn als Rembrandt-Schüler.
"JURIAAN OVENS. Deze was een
braaf meester in Historien en Nagtlichten, en bragt groote kragt in dezelve.
Van hem is een groot stuk te zien in de Gaandery van‘t Amsterdamse Raadhuis,
verbeeldende de t‘zamensweeringen der oude Batavieren in‘t heilig of Schaaker
Bosch, daar Claudius Civilis de voornaamste Hoofden en Edelen, op een
gastmaal genoodigt, in zyn belang overhaald, om‘t juk der Romeinen van
hunne halzen af te werpen. Hy was 1675 nog in leven en schilderde voor
de Hertog van Holsteyn in Frederikstadt. Zyn portret, door G. Dou geschildert,
(...). Ook worden inzonderheid zyne pourtretten geprezen. Vondel laat
zig op de Afbeelding van de Edelgeboren Heer Godart Baron van Amerongen,
Heer van Ginkel enz. door J. Ovens geschildert dus hooren: ... ." [34]
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Jürgen Ovens sei um 1675 in Friedrichstadt ansässig gewesen und habe für den
Herzog von Holstein gearbeitet. Darüber hinaus habe er einen Kunsthandel mit
den Bildern anderer Meister betrieben.[35]
Erwähnungen zur Person und zum Werk des Jürgen Ovens, die sich in den Schriften
von Filip von Zesen (1664), Joachim von Sandrart (1679) und Arnold Houbraken
(1718-1721) überliefert haben, wurden bis weit in das 19. Jh. hinein rezipiert.
Wiederkehrend wird Jürgen Ovens in der Mehrzahl der später erschienenen Titel
als "Rembrandt-Schüler" und als Schöpfer des "Claudius Civilis" vorgestellt.
Im 18. Jh. erschien "La vie des peintres flamands, allemands et hollandois"
(1754) von Jean Baptiste Descamps, das eine fast wörtliche Wiedergabe von Arnold
Houbraken darstellt.[36]
Die Forscher des 19. Jahrhunderts bemühten sich zum einen um die Benennung
weiterer Werke, zum anderen um eine Rekonstruktion der Ovens-Biographie, die
sich durch eine Dichte der Dokumente auszeichnet, wie es für einen Künstler
des 17. Jh. relativ selten ist. Eine umfassende Darstellung der frühen Forschungen
gibt Harry Schmidt bereits 1922,[37]
so daß im folgenden lediglich die zuvor strittigen Fragen und neu entdeckte
Dokumente genannt werden. Verschiedene Angaben sowohl über Geburtsort und -jahr
als auch über Todesjahr und Begräbnisstätte standen sich entgegen. Jürgen Ovens
sei demnach entweder im Jahr 1600, 1620 oder 1623 in Tönning oder Amsterdam
geboren worden.[38]
Während Amsterdam als Geburtsort auf der Annahme von Joachim von Sandrart (1679)
beruhe soll[39]
und das Geburtsjahr aufgrund fehlender Überlieferung unbekannt ist,[40]
erscheint seine Geburt in Tönning im Jahr 1623, wie die nach 1700 verfaßte Biographie
eines Nachfahren angibt, wahrscheinlich.[41]
Zweimal hielt sich Jürgen Ovens für längere Zeit in den Niederlanden auf und
bekam 1662 das Bürgerrecht der Stadt Amsterdam zuerkannt.[42]
Zeitpunkt und Umfang der Aufenthalte werden unterschiedlich angegeben. 1642
ließ er sich zum ersten Mal in Amsterdam nieder und blieb ungefähr bis 1650
dort.[43]
Nach einer längeren Zeit im Herzogtum Holstein und mehreren Reisen kehrte Jürgen
Ovens 1657 nach Amsterdam zurück, um dort bis 1663 zu bleiben.[44]
Vereinzelt wird auch der Zeitraum zwischen 1656 und 1662 angenommen.[45]
Seit 1663 lassen sich vermehrt Aufträge für den Gottorfer Herzog nachweisen.
Zusammen mit der frühen Überlieferung durch Filip von Zesen, der Jürgen Ovens
dezidiert des "Herzogs von Holstein Hof- und Kunst-mahler" [46]
nennt, tradierte sich die Annahme, er habe den Status als Hofmaler inne gehabt.[47]
Dagegen äußert August Sach (1887) Kritik. Jürgen Ovens sei trotz seiner zahlreichen
Aufträge für Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf nie Hofmaler
gewesen, da diese Stellung im Zeitraum zwischen 1664-1675 von Johann Müller
eingenommen wurde. Des weiteren habe Jürgen Ovens kein festes Gehalt aus der
herzoglichen Kammer bezogen, noch habe seine Witwe später eine ansonsten übliche
Pension erhalten. Ihm wurde vielmehr die Ausführung jedes einzelnen Auftrages
gesondert bezahlt. Dieses differenzierte Bild wird letztlich auch durch die
Selbstbezeichnung des Künstlers bestätigt, da sich dieser immer als "Contrefaiter
in Friedrichstadt" bezeichnet habe.[48]
Neben den Lebensdaten war der Umfang des künstlerischen Schaffens lange Zeit
unbekannt. Zum Oeuvre wurden der "Claudius Civilis" [49]
und die "Justitia" im Rathaus von Amsterdam gezählt. Niels Heinrich Weinwich
(1811) verwies auf die Historienbilder, die im Auftrag von Herzog Christian
Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf entstanden waren.[50]
Carl Friedrich von Rumohr und Just Matthias Thiele (1835) benannten "Die Beweinung
Christi" (Friedrichstadt)[51]
und zwei Gemälde im Dom zu Schleswig,[52]
deren Darstellung durch F. Posselt (1881) als "Der Sieg des Christentums über
die Sünde" /("Kielmannseck-Altar") und als "Die Heilige Familie mit Johannesknaben"
/("Blaue Madonna") überliefert wurden.[53]
Es folgte die Kenntnis über einen Zyklus, der "Die Vermählung der Prinzessin
Hedwig Eleonore von Holstein-Gottorp" (Stockholm) zeigt,[54]
ein Regentenstück[55]
(Amsterdam),"Die Rückkehr des jungen Tobias" (Nantes)[56],
"Christus mit der Dornenkrone" (Braunschweig)[57]
und das Bildnis des "Johan Bernard Schaep" (Amsterdam)[58].
Erst die Arbeiten von F. Posselt (1881)[59]
und der Eintrag in das "Niederländische Künstlerlexikon" (1910) von Alfred von
Wurzbach[60]
brachten eine wesentliche Erweiterung.[61]
Harry Schmidt (1922) führt in seiner Monographie 144 erhaltene Werke auf,
die in der Folgezeit um weitere ergänzt wurden.[62]
Demgegenüber erfaßt Werner Sumowski (1983) nicht mehr als 78 Einträge, die sich
zum überwiegenden Teil mit dem Katalog von Harry Schmidt decken.[63]
Im einzelnen werden sowohl bekannte Gemälde nicht mehr genannt als auch neu
aufgefundene ins Oeuvre aufgenommen. Weitere Werke wurden zuletzt durch Arbeiten
von Jan Drees bekannt.[64]
Über die Ausbildung von Jürgen Ovens berichten keine schriftlichen Dokumente
und so sind Ort und Zeitraum einer Lehre unbekannt. Während seines ersten Aufenthalts
in Amsterdam soll er seit 1642 in der Werkstatt von Rembrandt gelernt haben,
so daß er seit Arnold Houbraken (1718-1721) bis hin zu Werner Sumowski (1983),[65]
fast ausschließlich als ‘Rembrandt-Schüler‘ bezeichnet wird.[66]
Eine kritische Haltung demgegenüber nimmt Harry Schmidt (1917)[67]
ein.
Die urkundliche Überlieferung bestätigt weder ein Lehrer-Schüler-Verhältnis
zwischen Rembrandt und Jürgen Ovens noch haben sich dem widersprechende Schriftquellen
gefunden. Es bleibt demnach hauptsächlich der Stilvergleich, der jedoch kein
befriedigendes Ergebnis zeigt.
Die Nähe Jürgen Ovens zu Rembrandt wird mittelbar in einer Reihe von Aufsätzen
über die Entstehung der beiden von Rembrandt und Govaert Flinck geschaffen Fassungen
des "Claudius Civilis" diskutiert.[68]
Dem von Govaert Flinck begonnenen Werk, das durch Jürgen Ovens vollendet wurde,
ist ein monographischer Aufsatz von Hans Schneider (1925) gewidmet.[69]
Darin bezieht der Autor eine Reihe von Ovens-Zeichnungen mit ein und vermutet,
daß sich der Künstler neben Ferdinand Bol auch um weitere Aufträge im Ausstattungsprogramm
des Rathauses von Amsterdam bemühen wollte, die jedoch nicht zur Ausführung
gelangten.[70]
H. van de Waal (1939) untersucht den Einfluß der Werke Otto van Vaens /Vaenius,
gestochen von Antonio Tempesta, auf die Historienbilder im Rathaus zu Amsterdam
und vermutet die Übernahme eine Figurengruppe im "Claudius Civilis".[71]
Dergleichen werden die Vorbilder der Claudius Civilis-Darstellungen und deren
Einfluß auf Jürgen Ovens von Ludwig Münz, J. Bruyn Hzn. und Carl Nordenfalk
(1956) benannt.[72]
Die Beziehung Jürgen Ovens zum Hof der Herzöge von Schleswig-Holstein Gottorf
wurde anhand der Untersuchungen zu den Gottorfer Rentekammer-büchern und Schloßinventaren
von Harry Schmidt deutlich.[73]
Diese belegen seinen einem Hofmaler ähnlichen Status und den Umfang der für
den Gottorfer Hof bestimmten Arbeiten. Zu den Aufgaben, die Jürgen Ovens für
den Gottorfer Hof erfüllte, gehörte auch der Erwerb von Kunstwerken für die
herzoglichen Sammlungen. Infolgedessen ist Jürgen Ovens als Kunstagent und Kunsthändler
tätig gewesen, "... der damals mit Gemälden an auswärtigen Höfen ... Handel
trieb", wie es zuerst Alfred von Wurzbach (1910) anmerkte.[74]
Als Kunstagent handelte er auf Weisung eines bestimmten Auftraggebers, diesem
eine gesuchte Ware zu verschaffen, für die er als Entlohnung eine zuvor vereinbarte
Provision erhielt. Als Kunstvermittler trat der Maler zwischen dem Bildhauer
Artus Quellinus und dem Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf
hervor, wie es Harry Schmidt (1914) ausführt.[75]
Der angeworbene Bildhauer hat u. a. das Portal der herzoglichen Gruft
im Dom zu Schleswig und zwei Portraitbüsten gefertigt, die von Amsterdam an
den Hof geschickt wurden.[76]
Der Kunsthandel bot dem Maler die Gelegenheit, auch eine eigene Sammlung aufzubauen,
die sich 1691 noch nahezu unverändert im Nachlaß der Witwe befand. Das Nachlaßinventar
wurde zuerst von Hampke (1896/1897)[77]
als wichtige Quelle erkannt und von Harry Schmidt (1913) in einer vollständigen
Wiedergabe veröffentlicht.[78]
Zur Chronologie innerhalb der Forschung ist anzumerken, daß die erste Monographie
von Harry Schmidt (1922) gewissermaßen eine Zäsur darstellt.[79]
Der Autor trägt nicht allein ältere Literatur zusammen und bewertet diese, sondern
veröffentlicht erstmalig umfangreiches Quellenmaterial, anhand dessen er seine
Angaben auf ein nachprüfbare Basis stellt. In der Vorbereitung auf dieses Werk
hatte der Autor bereits eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht[80]
und später weitere Ergänzungen und Nachträge vorgenommen.[81]
Harry Schmidt bemühte sich noch um eine zweite Auflage der Monographie, die
jedoch nicht mehr zustande kam. Gertrud Schlüter-Göttsche, seine ehemalige Mitarbeiterin,
übernahm dessen Archiv und veröffentlichte selbst rund ein Dutzend Aufsätze.
Die Autorin rezensiert 1964 die erste und einzige monographische Ausstellung
zu Jürgen Ovens im Städtischen Museum zu Flensburg (1963)[82]
und arbeitet den Aspekt der wechselseitigen Beziehung zwischen holländischen
und flämischen Einflüssen heraus.[83]
Spätere Aufsätze widmet sie der Identifizierung von Bildnissen[84]
und neu entdeckten Gemälden oder Graphiken.[85]
Des weiteren verfaßte sie die zweite Monographie (1978)[86]
zu Jürgen Ovens, begleitet von Aufsätzen zu seiner Biographie.[87]
Neuere Arbeiten wurden zuletzt von Nils Claussen (1984)[88]
und Lars Olof Larsson (1989)[89]
vorgelegt. Des weiteren sind die bereits im Zusammenhang mit dem Werkverzeichnis
genannten Arbeiten von Werner Sumowski (1983)[90]
und Jan Drees[91]
von größerer Bedeutung.